Weihnachten im Krisenmodus
Auch 2021 feiern wir wieder ein Weihnachtsfest unter schwierigen Bedingungen. Das haben wir uns Anfang des Jahres noch ganz anders vorgestellt. Nicht noch einmal Weihnachten im Krisenmodus!
Doch die Krankenhäuser sind erneut voll belastet, Pflegekräfte am Ende ihrer Kräfte. Ich fände es erschreckend, wenn ich mich daran einfach gewöhnen und das Leid ausblenden könnte. Letztlich haben wir als Gesellschaft bislang nicht die richtigen Antworten gefunden, um die bedrohliche Lage einzugrenzen. Dabei ist nicht von der Hand zu weisen, dass nun schon seit geraumer Zeit wirksame Impfstoffe vorhanden sind, die helfen, Leid zu verringern. Damit schütze ich mich und andere – und übernehme auf überschaubare Weise Verantwortung. Wir kommen allerdings auch aktuell nicht darum herum, dass vieles nur eingeschränkt möglich ist. Zum Leidwesen derer, die beispielsweise auf abgesagten Weihnachtsmärkten hätten arbeiten wollen oder die mit kulturellen Veranstaltungen ihre Existenz bestreiten. Während politische Mandatsträger:innen versuchen, wirtschaftliche, soziale und gesundheitliche Folgen der Pandemie in Balance zu bringen, fühlt sich eine gewaltbereite Minderheit berufen, diese mit Bedrohungen und Aggressionen zu überziehen. Auch Vertreter:innen von Ordnungskräften und Medien bekommen es mit deren Gewalttätigkeit zu tun. Es ist erschreckend, dass solche Grenzüberschreitungen geschehen!
Umso mehr drängt sich die Sehnsucht nach einer friedlichen Welt nach vorn. Gerade an Weihnachten wünschen sich viele Menschen, dass sich Gemeinschaft, Freude und Zuversicht verbreiten, dass Auseinandersetzungen überwunden werden.
Auch der Prophet Micha spricht von Hoffnung. Er sehnt den kommenden Retter herbei: „Und er wird der Friede sein.“ (Micha 5,4a) Von der kleinen Stadt Bethlehem soll der Friede ausgehen. Gleichzeitig sieht er, wie zerrissen die Welt ist, in der er lebt. Er sieht, wie das kleine Israel immer wieder zum Spielball der Mächte wird. Außerdem klagt der Prophet über ungerechte soziale Verhältnisse in seinem Land. Mit deutlichen Worten versucht Micha die Menschen wachzurütteln, damit die Not gelindert und die Sehnsucht nach Gerechtigkeit gestillt wird.
Auch heute gibt es genügend Gründe dafür. Wenn ich an die verzweifelte Lage der Menschen an den EU-Außengrenzen denke, die bei eisigen Temperaturen in Wäldern campieren oder lebensgefährliche Überfahrten auf Schlauchbooten wagen. Wie der Prophet müssen wir immer wieder öffentlich auf diese Katastrophen aufmerksam machen und uns für eine menschenfreundliche Politik einsetzen. Auch wenn wir in diesem Jahr wieder Weihnachten im Krisenmodus feiern müssen, so hilft es vielleicht, den Blick für das Wesentliche zu bewahren.
Ich wünsche Ihnen friedliche Advents- und Weihnachtstage!
Ihr Pfarrer Alexander Pabst